Archiv

Archive for 23. Februar 2011

Ideologierausch und Realitätsblindheit. Raymond Arons Kritik am Intellektuellen „französischen Typs“, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 5 (2008), No. 2, 332-338

„We can reasonably congratulate ourselves“, schrieb 1955 der Historiker Denis Brogan im „Times Literary Supplement“, „that our men of letters and academics either have more sense or are not encouraged to be so silly, but it is an ominous fact that the world is full of intellectuals of the French type.“ Intellektuelle französischen Typs: Das waren für den Mann aus Cambridge vor allem Schriftsteller und Hochschullehrer, die sich coram publico für utopische Sozialexperimente engagierten und deren Verstand vom Dunstschleier politischer Ideologien vernebelt sei. Großbritannien könne sich glücklich schätzen, dass seine geistigen Eliten in der Tradition des Common Sense verwurzelt und mit den Mechanismen praktischer Politik vertraut seien. Frankreich dagegen, als Sinnbild für weite Teile Europas (und „der Welt“), leide unter der Dominanz von im wahrsten Sinne des Wortes unvernünftigen Intellektuellen – „not nearly as much in contact with reality as [their counterparts] in the much more closely integrated English society“. Die vermeintliche Unvernunft bzw. „Dummheit“ von Intellektuellen „französischen Typs“ war demnach auf eine tiefreichende Entfremdung von Politik und Gesellschaft zurückzuführen, die insbesondere mit zwei sich einander bedingenden Faktoren verknüpft zu sein schien: Ideologierausch und Realitätsblindheit.
Zum Aufsatz: Zeithistorische Forschungen 2008/2

Die Ambivalenz der Moderne im Nationalsozialismus. Eine Bilanz der Forschung (Oldenbourg, München, 2003)

Wie modern oder antimodern war das „Dritte Reich“? Die Frage nach den möglichen Modernisierungstendenzen des Nationalsozialismus beschäftigt Öffentlichkeit und Wissenschaft gleichermaßen. Geleitet von der Einsicht in die Ambivalenz der Moderne, gibt Riccardo Bavaj einen Überblick über einschlägige Aspekte der Modernisierungsdiskussion im Zusammenhang mit der Geschichte des „Dritten Reiches“: das Konzept der „Volksgemeinschaft“, die Sozialpolitik, die soziale Basis der NSDAP, die Familienpolitik und die Stellung der Frau im „Dritten Reich“, die Wirtschafts- und Rüstungspolitik, die Entwicklung von Wissenschaft, Technik und Umwelt, von Kunst, Kultur, Städte- und Wohnungsbau und schließlich die Rassenpolitik. Riccardo Bavaj argumentiert, dass das „Dritte Reich“ nur sehr bedingt die Modernisierung der deutschen Gesellschaft im 20. Jahrhundert vorangetrieben, der Nationalsozialismus vielmehr eine alternative Moderne zu verwirklichen versucht habe: das Projekt einer rassisch homogenen Volksgemeinschaft, das die Ambivalenzen des modernen Zeitalters deutlich vor Augen führe.
Zur Verlagsinformation: Oldenbourg Verlag